Zuckerrübenmord - Leseprobe 2
Süß
Etwa ein Jahr früher, EU-Behörde für Agrarsubventionen in Nürnberg, Büro Prof. Dr. Habermüller.
Auf seinem Schreibtisch liegt der Subventionsantrag für das Jahr 2013 einer Firma Franz Süß, Zuckerexporte, aus Murnau in Bayern. Schon zum sechsten Mal beantragt diese Firma Subventionen für den Export von Flüssigzucker in nicht EU-Staaten. Es gibt Beihilfen für Zuckerprodukte, die in der EU von Bauern erzeugt wurden und die auf dem Weltmarkt nicht zum Erzeugerpreis verkauft werden können, weil dieser weit unter dem EU-Marktpreis liegt. Ganz einfach ausgedrückt, es wird eine Überproduktion mit Steuermitteln unterstützt. Die Landwirte bauen also etwas an, was sie eigentlich gar nicht verkaufen können, jedenfalls nicht zu dem Preis, der die Anbaukosten deckt. Ob das sinnvoll ist, sei einmal dahingestellt.
Die Firma Franz Süß hat immense eigene Anbauflächen vorwiegend in Oberbayern, auf denen sie Zuckerrüben wachsen lässt. Gleichzeitig importiert sie einen kleinen Teil der Früchte aus anderen EU-Staaten. Der Zucker wird hergestellt, verflüssigt und dann mit großen Tanklastwagen vorwiegend nach Russland exportiert. Dafür gibt es dann Subventionen aus Brüssel.
Der Professor hat in den letzten sechs Jahren an Franz Süß mehrere Millionen Euro an Beihilfen bewilligt!
Der Antragsteller muss zunächst Angaben über die Größe seiner Anbauflächen innerhalb der EU machen, anhand derer dann die Menge der Produktion nachvollzogen werden kann, um Manipulationen zu begegnen. Der Nachweis der Einfuhren aus EU-Ländern erfolgt über Frachtpapiere und Herkunftsnachweise. So erhält man die produzierte Menge als Referenzwert. Der Nachweis der tatsächlichen Menge des Exports erfolgt über die Ausfuhrfrachtpapiere. Also auf den ersten Blick alles ganz einfach. Wenn da nicht die deutsche und europäische Bürokratie wäre.
Jeder Quadratmeter Anbaufläche muss durch ein Papier belegt sein, Grundbuchauszug, Pachtvertrag, Grundbuchauszug des Verpächters, Erbpachtverträge, Nachweis der Anbauflächen in EU-Mitgliedsstaaten mittels öffentlich beglaubigter Urkunden, da Grundbücher beispielsweise in Griechenland oder Spanien nicht immer die tatsächliche Eigentumslage wiedergeben. Aber diese Nachweise sind nur ein Bruchteil dessen, was ein Antragsteller alles beibringen muss.
Die Firma Franz Süß hat das bislang alles in vorbildlicher Weise erledigt. Der Hauptanteil der Produktion stammt auch im Jahr 2013 von den Zuckerrübenfeldern in Oberbayern. Der in Hamburg geborene und aufgewachsene Professor kennt zwar die Agrarlandschaft in Bayern als Wiesen, auf denen Kühe weiden, aber Zuckerrübenanbau gibt es ebenfalls in diesem Bundesland.
Neben dem Antrag von Franz Süß liegt erneut der Antrag einer Ökologisch Süß UG auf dem Tisch. Die konnte in den letzten Jahren nie berücksichtigt werden, weil die Nachweise nicht vollständig waren. Die kleine Firma kaufte ihre Zuckerrüben bei ebenso kleinen Ökobauern und legte immer nur handschriftliche Zweckformquittungen vor. Die wenigen Anbauflächen waren mit Handschlag gepachtet. Obwohl die Ausfuhrpapiere in Ordnung waren, musste Habermüller die Anträge ablehnen. Es tat ihm immer leid, dass er den kleinen Betrieb nicht berücksichtigen konnte, aber so sind halt die Vorschriften. Er hoffte im Stillen, dass sie es im nächsten Jahr schaffen würden.
Er wirft die Antragsunterlagen der Ökologisch Süß UG schwungvoll in eine Ablage auf einem Aktenschrank hinter ihm, weil er den Antrag erst am nächsten Tag bearbeiten will. Dabei fällt aus der Mappe ein DIN A 5-Blatt.
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