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Mord in der Harrer-Klinik - Leseprobe 1

Mord in der Harrer - Klinik, Leseprobe 1

Hauptkommissar Schmitt beobachtet den Mord im Krankenhaus 
 

Zwei Monate später.
Puls 88, Blutdruck 89 zu 57. Das klingt irgendwie nicht gesund. Ich liege zwischen anderen fremden Menschen, die in ihren Betten versuchen aufzuwachen. Ich bin wach, dafür tut die linke Hüfte saumäßig weh und ich kann da nichts bewegen. Spinal-Anästhesie nennen die das heute. An das Sägen und Hämmern werde ich mich lange erinnern. Auf meine Bemerkung während der OP, dass das hier wie in einer Autowerkstatt wäre, bekomme ich von einem Arzt zur Antwort, nein, sie seien hier eine Schreinerei. 

»So Herr Schmitt, ich fahr’ Sie wieder aufs Zimmer, alles vorbei und die Hüfte: wie neu!« Gott sei Dank hatte ich meinen angeborenen fränkischen Geiz überwunden und ein schönes Einzelzimmer gebucht. Mit Blick auf die Burg. Schräg unten gegenüber Ärzte- und Besprechungszimmer. Von meinem vierten Stock recht gut einsehbar. 40-Zoll-Fernseher, DVD, Ledersitzecke, dunkler Parkettboden und natürlich das eigene sehr komfortable Bad, das Zimmer vom Feinsten. Hat auch einen netten Aufpreis. Nur die Krankenschwester war nicht buchbar, meine ist so gegen 60 mit russischem Akzent. 

Sauweh tut’s immer noch und zur Ablenkung schau’ ich mir noch die Geschehnisse im Konferenzraum ein wenig an. Ärzte und Krankenschwestern mit Hochglanzunterlagen vor sich lassen sich von einem Referenten in die Welt des Power Point entführen und ... 

Schmitt schläft.
Punkt sieben am Morgen. Grell dringt das Neonlicht der Zimmerdeckenlampe durch meine Netzhaut. Links eine mir noch unbekannte Frau mit spitzer Kanüle in meinem Arm, die mein Blut anzapft. Rechts meine russische Krankenschwester, die sich an meinen Puls und Blutdruck heranmacht. Nicht zu vergessen das Fieberthermometer im Ohr und – der Nachttischausleger bebt – mein Frühstück. Ein herrlicher Morgen! 

Endlich Nachmittag. Es wird ruhiger auf der Station und man kann in Ruhe Musik hören und etwas lesen. Meine Kollegin Ilse ist zu Besuch. 

»Vermisst mich jemand im Kommissariat? Nicht wirklich? Wer macht jetzt den Schaffnerfall? Der Herbert? Nein, nicht wirklich der Herbert! Der kann doch einen Fingerabdruck nicht von einer Reifenspur unterscheiden! Doch? Mittlerweile schon?« 

»Sei froh, dass du hier deine Ruhe hast«, scherzt Ilse, »die dürfen hier die Leute ganz legal aufschlitzen.« Welche Ironie. Aber ich mag die Ilse, irgendwie. 

Heute Abend gibt’s laut Menüwahl Nürnberger Bratwürste. Endlich was Gescheites. 17 Uhr, ich decke den Teller auf und da liegen sie: vier arme Nürnberger Bratwürstl, kalt, ein Klecks Senf, ein Stück undefinierbarer Käse und ein labbriger Toast. Dazu Tee! Käse zu Nämbercher! Der Koch gehört in die Lochgefängnisse, dauerhaft! 

Nach dem Abendessen wird’s dann eher öde. Heute aber nicht. Mein Freund Jürgen klopft an die Tür, in der Tasche drei Weißbiere, eins für ihn und zwei für mich! Hat der Arzt erlaubt. Jürgen wohnt gleich gegenüber und betreut mich kulinarisch. Wir unterhalten uns heute besonders gut. 

Nachdem Jürgen gegangen ist, sehe ich etwas fern, lese noch und langsam werde ich müde. Es ist gegen 20.30 Uhr und ich lege das Buch beiseite. 

Mein Blick fällt durch das bodentiefe Fenster hinunter in den noch hell erleuchteten Konferenzraum. Das Rollo ist etwas herabgelassen, gerade so, dass man die Gesichter der Personen nicht erkennen kann. Am großen Tisch in der Mitte des Raumes stehen sich zwei Personen gegenüber, ein Mann und eine Frau, so viel kann ich sehen. Aus den Gesten der beiden entnehme ich einen Streit, die Mimik bleibt mir verborgen. 

Er schlägt mehrmals mit der flachen Hand auf den Tisch, so als ob er Vorwürfen Nachdruck verleihen wollte. Sie streckt ihren rechten Arm vor und bewegt ihre Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger auf und ab. Sie weist eine Schuld zurück und wirft sie dem Mann vor. 

Der schlägt ihre Hand plötzlich und kräftig zur Seite. Sie erwidert mit einem Trommelfeuer ihrer Fäuste auf seine Brust. Er weicht unvermittelt zurück und sie stürzt, gezogen von der Kraft ihrer Schläge, nach vorne und dann zu Boden. 

Da geht das Licht aus. Ich kann nur noch Schatten sehen, dann nichts mehr. 

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